4. Werbung in eigener Sache

Die BFL will das Billboard Branditry so bekannt wie möglich machen, so dass sich ihm immer mehr Leute verschreiben und die Werbeplakate in ihrem Sinne verändern. Der Gruppe geht es also nicht darum, eine individuelle Autorenschaft bei jeder Aktion aufzuzeigen, vielmehr ist es völlig egal, wer diese Aktion durchgeführt hat. Damit stellt sich die Gruppe bewusst gegen den traditionellen Begriff der Autorenschaft. Ein klar identifizierbarer Autor war bis Mitte des 20sten Jahrhunderts elementar, um ein Kunstwerk als solches bezeichnen zu können. Und auch heute ist es im Kunstmarkt noch so, dass der Name des Künstlers beim Verkauf der Werke eine zentrale, Preis bestimmende Rolle spielt. Diesen Strukturen des Kunstmarktes entzieht sich die BLF, ihre Werke sind nicht verkäuflich, über die Medien wird lediglich bekannt gemacht, welche Gruppe hinter der Aktion steht.

Bei anderen Gruppen der Kommunikationsguerilla sieht das anders aus. Die Yes Men sind durch ihre Medienpräsenz als Gruppe so bekannt geworden, dass ihr Name schon den Status einer eigenen Marke angenommen hat. Sie versuchen nicht wie die BLF, eher im Verborgenen zu bleiben. Ihren künstlerischen Strategien entsprechend sind ihre Gesichter über die Videos bekannt geworden. Es sind immer dieselben Personen Andy Bichlbaum und Mike Bonanno, die sich zeigen und dadurch auch einen gewissen Bekanntheitsgrad und somit auch einen Markenwert erreichen. Durch ein Buch [38] und einen Film [39] haben sie sich selbst als Gruppe erfolgreich vermarktet. Die Adbusters Media Foundation, die sich dem Kampf gegen die Beeinflussung durch Werbung verschrieben hat, vertreibt auf ihrer Website neben dem Magazin auch etliche anderer Produkte wie Plakate oder den „Classical Blackspot Sneaker“, der folgendermaßen angepriesen wird: „Earth-friendly, cruelty-free, made by a small, union shop in Portugal, Blackspots represent a radical, no-compromise experiment. The ultimate goal is to break the monopolies of giant corporations, and create a new kind of grassroots capitalism.”[40]

Hier kann man sich die Frage stellen, inwiefern sich die Webestrategie großer Firmen von der, die die Adbusters Media Foundation verfolgt, unterscheidet. In beiden Fällen soll Profit gemacht werden, auch wenn bei Adbusters eher moralische Ziele im Vordergrund stehen, die Werbestrategie an sich unterscheidet sich dadurch noch nicht von den allgemein üblichen. Auch der Minalölkonzern Shell wirbt mit Umweltschutz [41]. Die Frage ist also, ob sich eine Kommunikationsguerillagruppe nicht ad absurdum führt, wenn sie sich selbst als Marke verkauft und damit Geld verdient. Oder ist es gerade ein konsequenter Schritt, den die Kommunikationsguerilla zu gehen hat, raus aus der Anonymität, hinein in die Wirtschaft, um dann neue alternative Strategien, wie z.B. fair trade vorzuschlagen?

Meiner Ansicht nach darf die Kommunikationsguerilla gerade diesen Schritt jedoch nicht machen, denn so nimmt sie sich selbst jegliche Schlagkraft. Gruppen, deren Ziel es eigentlich ist, verdeckte Strukturen aufzudecken und bisher Unsichtbares transparent zu machen, dürfen sich nicht selber diese undurchsichtigen Strategien zu Nutze machen, denn sonst leidet ihre Glaubwürdigkeit Schaden.

Solange die Vermarktung der eigenen subversiven Arbeit, wie z.B. bei den Yes Men durch Bücher und Filme oder bei den Guerilla Girls durch Plakate und Ausstellungen, der Verbreitung ihrer Ziele dient, kann dies nachvolllzogen und akzeptiert werden. Denn auch die geschickteste subversive Aktion hat keinen Sinn, wenn sie nicht von möglichst vielen als solche wahrgenommen werden kann. Sobald die Gruppe sich jedoch von den eigenen Zielen entfernt und irgendwelche Produkte zu verkaufen versucht, die nicht direkt in Verbindung zu ihren Aktionen stehen, wird sie ihren eigenen Zielen untreu und verliert ihre Glaubwürdigkeit. Die Kommunikationsguerilla sollte sich auf ihr eigentliche Absicht, das Sichtbarmachen von Strukturen beschränken. Alles was diesem Ziel nicht dient, sollte sie unterlassen, um die Effektivität der Aktionen nicht zu gefährden.