2.4. Aufdeckung des Fake

Gegen Ende der Präsentation verlässt Unruh die konventionelle Vortragsebene, indem er hinter dem Rednerpult hervor tritt, wo ihm nun sein Sekretär, Mike Bonanno, mit einer schwungvollen Geste die Kleider vom Leib reißt und ein goldener Ganzkörperanzug, der „Management Leisure Suit“ zum Vorschein kommt, an dem sich in wenigen Sekunden ein ca. 1m langer, ebenfalls goldener Phallus langsam aufbläst. Dieser Anzug wird von ihm im Folgenden als neueste technische Errungenschaft gepriesen, der durch einen eingebauten Bildschirm an der Spitze des Phallus eine ständige Überwachung der Fremdarbeiter ermöglicht.

An dieser Stelle kippt die Präsentation. Der eigens für diesen Auftritt entworfene Anzug visualisiert die vorher genannten Argumente und überführt sie in einen konkreten Vorschlag, wie die Kontrolle der „Fremdarbeiter“ tatsächlich bewerkstelligt werden kann. Der Anzug bricht mit allen Konventionen, die bis jetzt noch eingehalten wurden, der Dresscode wird nun bewusst missachtet. Er nimmt in seiner Ausführung Bezug zur Situation, die Farbe Gold steht für Reichtum und Macht, der überdimensionale Phallus für Potenz, was in unseren Breitengraden oft mit Macht gleichgesetzt wird. Gleichzeitig ist der Phallus ein Symbol für Männlichkeit. Durch die Kombination der Assoziationen wie Reichtum, Macht und Männlichkeit wird die Aussage getroffen, dass Macht und Reichtum männliche Eigenschaften sind, wodurch eine Kritik an der Verteilung von Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen aufkommt. Diese Kritik wird dadurch unterstrichen, dass der Anzug seinen Träger unausweichlich ins Lächerlich zieht. Der enganliegende gold glänzende Anzug ist keine würdevolle Kleidung für einen Manager. Der riesige Phallus lässt den Träger, Hank Hardy Unruh, weniger männlich als klein und schmächtig wirken. Der Anzug ist eine Parodie auf die konventionelle Vorstellung von einem erfolgreichen Mann in einflussreicher Position.

Die Strategie die hinter dieser performativen Erweiterung des Vortrags steht, ist nicht mehr die der Überidentifizierung. Nun werden die vorher angenommenen Konventionen so weit entfremdet, dass die Distanz zu frappierend ist, um nicht deutlich zu werden. Der Anzug ist, so empfindet jedenfalls der Außenstehende, so weit von den gängigen Konventionen entfernt, dass er als Empfehlung unmöglich ernst genommen werden kann. Die Yes Men versuchen hierdurch sicherzustellen, dass ihr Fake auffliegt, denn die Aufdeckung ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie.

Wie vorhin schon kurz angesprochen, ist die Enthüllung eines Fakes notwendig, damit dieser überhaupt ein Wirkung hat. Wird der Fake wider Erwarten nicht von selbst entdeckt, muss er von den Machern aufgedeckt werden, da er elementar für die ganze Aktion ist. Ohne Aufdeckung würde die kritische Absicht im Verborgenen bleiben. Bestimmte Strukturen oder Eigenschaften eines sonst im Verborgenen liegenden Systems würden sonst nicht öffentlich gemacht und damit demaskiert, sondern die Strukturen bestätigt. Verstärkt besteht diese Gefahr bei der Strategie der Überidentifizierung, da, falls der Fake nicht aufgedeckt wird, die Strukturen nicht nur bestärkt, sondern das Publikum möglicherweise in seinen Ansichten noch radikalisiert wird. Ein Fake befindet sich bis zu seiner Enthüllung immer in einer Situation wie auf Messers Schneide, eine frühzeitige Demaskierung würde die Wirkung abschwächen, würde der Fake aber gar nicht aufgedeckt werden, so hätte die Aktion möglicherweise eine affirmative Wirkung.

Auf vorherigen Konferenzen, auf denen sie ebenfalls als WTO-Vertreter aufgetreten waren, beschränkten sie sich auf einen Vortrag im konventionellen Rahmen. Durch diese offensichtlich ungewöhnliche und damit provozierende, zusätzliche Aktion, wollen sie sicherstellen, dass die Konferenzteilnehmer erkennen, dass sie unmöglich wirkliche Vertreter der WTO sein können.