3.5. Werbung oder Anti-Werbung?

In einem Artikel über die Aktion wird beschrieben, dass die BFL nichts gegen Zigaretten hat, sondern nur ihre dämlichen Webekampagnen hasst. 35 Dennoch ist die Zigarettenwerbung ein beliebtes Ziel der Billboard-Improver. Auch die BFL hat weitere Eingriffe in Werbeplakate der Zigarettenfirmen unternommen, in denen sie sehr kritisch Stellung gegen die Verharmlosung der Folgen des Rauchens in der Werbung bezieht. In einer Aktion von 1996 veränderten sie eine Camel-Leuchtreklame so, dass sie den Schriftzug „Am I dead yet?“ zeigte. [37]

Hier wird deutlich, dass sich ihre Kritik, wie in dem Zitat ausgedrückt eben nicht gegen das Rauchen als solches richtet, sondern gegen die Ausblendung seiner Folgen in der Zigarettenwerbung, also gegen die festgelegten Codes zur Entschlüsselung der Werbebotschaft, die dem Betrachter normalerweise nicht die Option eröffnen, das Camel-Maskottchen als krebskranken und hilflosen Raucher zu sehen. Somit übt die BFL Kritik am Rauchen als solches, indem sie die Tatsache, das Rauchen schädlich ist, betont, und dadurch den Zigarettenfirmen schadet. Die BFL will über die Folgen des Rauchens aufklären, sie will es nicht verbieten oder dämonisieren. Die Entscheidung zu Rauchen oder es nicht zu tun, nimmt sie dem Bürger nicht ab, auch wenn das häufige Hinweisen auf die Folgen des Rauchens möglicherweise die Entscheidung des Bürgers beeinflusst.

Bei jeder Aktion gibt die BFL einen „Kunden“ an, von dem sie behauptet, in seinem Interesse das Plakat verändert zu haben. Der Kunde ist jeweils der Auftraggeber des ursprünglichen Plakates, in diesem Fall die RJ Reynolds Tobacco Company. Durch diesen Hinweis versucht die BFL die Fronten zwischen Billboard-Branditry und dem Wirtschaftsunternehmen zu verwischen. Das Unternehmen kann den Eingriff als Provokation oder möglicherweise auch nur als Sachbeschädigung verstehen, aber auch als Anregung zu einer neuen Werbekampagne.

Die Strategien der Kommunikationsguerilla haben längst Einzug in die Werbeagenturen genommen. Beispielsweise testen große Unternehmen provokative neue Werbestrategien um ein jüngeres Publikum auf das Produkt aufmerksam zu machen. Es wurde entdeckt, dass schockierende Werbung, die nicht der konventionellen Schönmalerei der Werbung entspricht, Aufmerksamkeit erregt, und somit die Verkaufszahlen steigert. Bestes Beispiel ist die Schockwerbung von Benetton. Die BLF muss sich also fragen, ob ihre Aktion tatsächlich die Firma und ihre Werbestrategie angreift oder ob sie dieser nicht möglicherweise sogar nutzt.

Das Verändern von Werbung ist also ein umstrittener Bereich der Kommunikationsguerilla bei dem sich nicht endgültig klären lässt, wem die Aktionen tatsächlich dienen. Dennoch ist das Werbeplakat ein Ort, an dem über die Funktionsmechanismen von Werbung aufgeklärt werden kann, so wie es die BFL tut. Diese bekannt zu machen, heißt aber eben noch lange nicht, dass sich niemand mehr von ihnen beeinflussen ließe.