2.3. Die Strategie der Überidentifizierung

Durch das Vortäuschen falscher Identitäten konnten die Yes Men also in den Kreis der ca. 150 Geschäftmänner und -frauen, WirtschaftpolitikerInnen und AkademikerInnen eindringen, vor denen sie nun ihren Vortrag präsentieren sollten.

In seiner Rede stellt Andy Bichlbaum alias Hank Hardy Unruh ein Konzept auf, wie man mit dem Erbe der Sklaverei in der heutigen globalen Wirtschaft umgehen könnte, ohne diese zu dämonisieren. Er schlägt eine Form des Fremdarbeiters vor, beispielsweise aus Gabun, der im Gegensatz zu den früheren Sklaven sein Land nicht verlassen müsse, sondern seine Arbeit dort verrichten könne, Unterkunft und Versorgung bezahlt bekäme und so nicht unangenehmen Dingen wie Heimweh oder Rassismus ausgesetzt wäre.

Unruh bezeichnet dieses absurde Konzept als menschlicher aber auch ökonomischer, da die Lebensunterhaltskosten in Gabun einen Bruchteil von denen beispielsweise in Finnland ausmachen. Als das einzige Problem der Fremdarbeit stellt er die Kontrolle der Arbeiter dar, bei der so Unruh eine ständiger Kontakt von Manager und Arbeitern erforderlich sei, damit diese nicht zum Problem würden.[19]

Die Radikalität und Absurdität der Aussagen, die Hank Hardy Unruh vorträgt, ist, so zeigt das Video der Präsentation [20], nicht zu überhören.

Die Yes Men versuchen durch die Sprache, die stimmige Oberfläche, die sie als kompetente Wirtschaftskenner ausweist, aufzubrechen und ihre eigentliche Intention auszudrücken, die Kritik an der bestehenden Wirtschaftspolitik der WTO. Wirtschaftsliberale Grundsätze werden in der Rede so überspitzt oder vereinfacht dargestellt, dass, so meint man, den Fachleuten alle Haare zu Berge stehen sollten.

Die Verfremdung des Inhalts, die die Yes Men hier erzeugen, folgt einer Strategie der Überidentifizierung [21]. Die Yes Men kopieren die Rolle in diesem Fall von Vertretern der WTO genau und steigern ihre Ansichten ins Extreme. Statt, wie in dem Beitrag auf ihrer Internetseite zu verkünden, die Politik der WTO wäre unzureichend und unfair und müsse geändert werden, sprechen sie sich hier für eine Optimierung rücksichtsloser Politik aus. Das System wird von ihnen konsequenter dargestellt als von seinen eigentlichen Vertretern. Durch diese Überspitzung der allgemein herrschenden und akzeptierten Vorstellungen in der Wirtschafsbranche soll den Angesprochenen nicht die Möglichkeit gegeben werden, eine Distanz zu dem von ihnen vertretenen System zu Erleben. Sie werden mit den extremen Seiten des Systems so konfrontiert, dass sie keine Möglichkeit mehr haben, diese Vorwürfe herunterzuspielen oder unbemerkt vorbeiziehen zu lassen.